Im Gespräch mit …Binna Choi, Utrecht (NL)

über die Ausstellung „Gwangju Lessons“ in Köln

Die Künstlerin und Kuratorin Binna Choi lebt und arbeitet in Seoul und Utrecht (NL). 2016 war sie Kuratorin der renommierten Gwangju Bienale fur zeitgenossische Kunst und hat dort u.a. mit dem aus Ruanda stammenden Kunstler Christian Nyampeta zusammengearbeitet, der heute in den Niederlanden und Großbritannien seine künstlerische Heimat gefunden hat. In dem Interview erzählt sie, welche Leitidee hinter den „Gwangju Lessons“ steht und wie es dazu kam, sie umzusetzen.

Außerdem gibt sie einen tieferen Einblick in ihre persönlichen Eindrucke zur aktuellen Ausstellung und einen Ausblick auf ihre kommenden Projekte.

Frau Choi, der Künstler Christian Nyampeta wurde 1981 in Ruanda geboren und lebt und arbeitet heute in London und den Niederlanden. Wie haben Sie sich kennen gelernt ?

Christian war maßgeblich an einer Ausstellung im Archiv der Gwangju Bienale 2016 beteiligt. Sein Ansatz ist interdisziplinär und folgt als Leitmotiv der Frage, wie Menschen im Umfeld von Konfliken zusammenleben können. Auch ich beschäftigte mich bereits seit längerer Zeit mit der Frage, wie künstlerisches Schaffen soziale Veränderungen fördern kann, und so kam es zu dieser engeren Zusammenarbeit.

Wie kam die Idee für die „Gwangju Lessons“ auf ?

Die Ereignisse 1980 in Gwangju stellten einen wichtigen Wendepunkt der Demokratiebewegung in Süd-Korea dar. Es war uns ein zentrales Anliegen, die damaligen Schwierigkeiten, Widersprüche und Auseinandersetzungen einer breiteren Öffentlichkeit aufzuzeigen, wobei der Lauf der Ereignisse nicht für sich alleine steht, sondern auf aktuelle Konflikte demokratischer Freiheitsbewegungen auch

anderswo projiziert werden kann. Eine der wesentlichen Fragestellungen dabei ist, wie Menschen sich mit Hilfe kreativ-künstlerischer Ausdrucksformen einbringen können, um zur Lösung von inneren und äußeren Konflikten beizutragen.

Welche Rolle spielt der Künstler Songdam Hong und die Peoples Art School dabei ?

In Gwangju hatte sich als Reaktion auf die militärischen Eingriffe 1983 eine Gruppe um den Künstler Songdam Hong in der People’s Art School zusammengefunden. Hier standen in selbstorganisierten Gruppen Aspekte des kollektiven Lernens, Denkens, Erinnerns und Verarbeitens im Vordergrund, die kritisches Bewusstsein gegenüber Hierarchien fördern und Gemeinwohl stiften sollten. In diesem Kontext stellt die Peoples Art School für uns ein Blueprint für eine politische Form der

Selbstorganisation aktueller Demokratie- und Freiheitsbewegungen dar, aus dem wir auch heute in hohem Maße Inspiration und Energie schöpfen können.

Warum wurden Holzplatten als künstlerisches Mittel gewählt ?

Songdam Hong und seine Schüler*innen nutzten die Holzschnitttechnik, um sich künstlerisch auszudrücken. Damit sollte ein Lernraum geschaffen werden, in dem sich die Schüler*innen durch die Arbeit an den Holzschnitten gegenseitig ausbilden und ergänzen konnten. Da die technischen Möglichkeiten zur Herstellung von Kopien in größerer Zahl damals eher beschränkt waren, konnten diese auch zur Anfertigung von Flugblättern und Transparenten genutzt werden. Besonders

hervorzuheben ist die Unterstützung durch die Bevölkerung von Gwangju im Mai 1980 und auch danach. So zeigten sich u.a. Bus- und Taxifahrer, Restaurantbetreiber und Ladenbesitzer mit den Demonstranten solidarisch und stellten die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Medikamenten, Blutspenden, Erste Hilfe aber auch Wäsche und Schlafplätzen sicher. Die ca. 200 gefundenen

Holzschnitte zeigen Freude, Lachen, Schmerz und Leidensfähigkeit der Menschen der damaligen Zeit. Hieraus wurden von Christian 71 Platten ausgewählt, aus Linoleum nachgebildet und in die Ausstellung übernommen.

Wie genau erfolgte die Auswahl der Objekte aus den Gwangju Archiven ?

Die Auswahl erfolgte eher intuitiv und soll eine Einordnung der Ereignisse in Gwangju in die aktuellen weltweiten Entwicklungen der damaligen Zeit darstellen. Wir nennen diese Objekte „Time Line“, womit der gesamt-geschichtliche Zusammenhang der damaligen Ereignisse gemeint ist.

Geht man auf dem Weg der Erinnerungen, die die globalen Zeitereignisse der 1980er Jahre, wie z.B. die Ermordung John Lennons und die Freiheits-und Demokratiebewegungen in Afrika, wiederspiegeln, findet man keine chronologische aber durchaus eine thematische Strukturierung von Erinnerungen rund um die Peoples Art School. Dabei soll ein Dialog zwischen den Holzschnittarbeiten und

Materialien aus den 5·18 Archives hergestellt werden, um die Geschichte des Aufstands und die künstlerische Reflektion in der Schule in der Ausstellung noch erfahrbarer zu machen.

Welche Idee steht dahinter, die Besucher selbst Abdrücke der Holzplatten anfertigen zu lassen ?

Es geht darum, Erinnerungen nicht nur zu betrachten, sondern selbst zu erfahren und mit eigenen Ideen, Texten oder Schlagworten anzureichern. Bereits durch die Auswahl einer Platte und das Herunternehmen wird eine intensivere Beschäftigung mit dem Motiv gefördert. Der selbst erstellte Abdruck kann als Erinnerung nach Hause genommen und dort aufbewahrt werden.

Welche Rolle spielt das Sonderausstellungsprogramm „Maytoday“ in diesem Kontext ?

Unsere Ausstellung ist ein Teil des Ausstellungsprogramms MaytoDay, welches getragen wird von der Gwangju Metropolitan City, der Gwangju Biennale Foundation, dem Asia Culture Center und dem Asian Culture Institute für den 40.Jahrestag der 5-18 Demokratiebewegung. Beteiligt sind weiterhin

5-18 Archives, May 18Memorial Foundation, Akademie der Künste der Welt (Köln), Art Sonje Center (Seoul) und Kuandu Museum of Fine Arts (Taipeh). Durch diese Vernetzung können wir unsere Botschaften einem größeren Kreis zugänglich machen.

Welche Unterschiede, welche Gemeinsamkeiten gibt es im Vergleich des Kunstraumes Korea/Niederlande/Deutschland ?

Trotz aller kulturellen Unterschiede ist Kunst heute mehr und mehr über die Ländergrenzen hinweg international vernetzt angelegt und wird auch so wahrgenommen. Lediglich die Infrastruktur passt sich den regionalen Gegebenheiten an. Ich kann sagen, dass Unterstützung der Künstler in den

Niederlanden über alle Ebenen hervorragend ist und ich daher sehr gerne dort arbeite.

Welche Projekte haben Sie als nächstes geplant ?

Die „Gwangju Lessons“ sind ab dem 25.09.2020 am Ort des ursprünglichen Geschehens, in Gwangju zu sehen. Die Ausstellung dort wird organisiert vom Asian Culture Center. Alle Besucher, die es einrichten können dorthin zu kommen, sind herzlich dazu eingeladen.

* Das Interview führten Reiner Schöler und Wolfram van Stephold, Deutsch-Koreanische Gesellschaft e.V., Regionalverband NRW, am 16.08.2020 vor der Kölner Kulturkirche.

Info:

Die Ausstellung ist noch bis zum 27.09.2020 geöffnet.

Öffnungszeiten: Fr-So | 14:00-19:00

Freier Eintritt

Ort: Akademie der Künste der Welt Köln, Academyspace, Herwarthstr. 3, 50672 Köln

1187호 26, 27면, 2020년 9월 18일